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Altweibersommer im Rheingau

Interessante Eindrücke bei den parlamentarischen Kollegen/-innen in den Landtagen von Hessen und Rheinland-Pfalz / Mainz - Wiesbaden - Rheinschifffahrt: Die Reise hat sich gelohnt

Die "große Reise" der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen e.V. führte in diesem Jahr vom 12. bis 16. Oktober 2014 in den Rheingau. Im Mittelpunkt standen Treffen mit Parlamentariern des hessischen Landtags in Wiesbaden und des rheinland-pfälzischen Landtags in Mainz. Stadtbesichtigungen auf der Hinfahrt in Fulda und auf der Rückreise in Alsfeld sowie zwischendurch in den besuchten Landeshauptstädten und eine Schiffsreise auf dem Rhein von Rüdesheim bis Kaub brachten viel Interessantes, Wissenswertes und auch Amüsantes für die 44-köpfige Reisegesellschaft. 

Wie schon ein Jahr zuvor bei der Ostsee-Reise meinte es Petrus auch in diesem Jahr mit den niedersächsischen Parlamentariern unverschämt gut. Entgegen allen vorherigen Prognosen lachte die Sonne oft aus allen Knopflöchern, und der Himmel bescherte fünf Tage Altweibersommer, wie er schöner nicht sein kann. Man brauchte keinen Regenschirm. Ja, ja, wenn Engel reisen ......

Frohgemut war die Reisegesellschaft mit dem Bus des Reisedienstes Rinder aus Barsinghausen am frühen Sonntagmorgen gestartet. Die "ständigen Teilnehmer" fanden wie immer in den letzten Jahren "ihren" angestammten Platz im Bus. Es gab ein freudiges Wiedersehen, Bekanntschaften und Freundschaften wurden erneuert, neue Kontakte geknüpft. Und das über alle Fraktionsgrenzen hinweg.

Neben dem Hauptanliegen dieser Reisen, die von den versierten Organisatoren Geschäftsführer Udo Mientus und Frau Sabine Sonntag präzise vorbereitet und mit deren Unterstützung unter Leitung des Vorsitzenden Ulrich Biel durchgeführt werden, neben der Information und des Kontaktes zu Parlamenten in anderen Bundesländern und im befreundeten Ausland, ist das menschliche und kollegiale Miteinander ein wesentlicher Bestandteil solcher Fahrten.

Zuerst beim hessischen Landtag im Stadtschloss in Wiesbaden.....

Schwerpunkte der Reise in diesem Jahr waren der Empfang und die Gespräche in den Landtagen von Hessen und Rheinland-Pfalz. Das war insofern interessant, als beide Parlamente einmal in alten Schlössern residieren, wie in Hannover, und zum anderen auch ihre Plenarsäle völlig umbauen und erneuern mussten, wie in Hannover. Dabei ist das Beispiel von Hessen in Wiesbaden besonders aufschlussreich. 1946 war der erste hessische Landtag in das in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts erbaute Stadtschloss der nassauischen Großherzöge eingezogen, das, wie wundersamer Weise auch die Stadt Wiesbaden, im letzten Krieg von feindlichen Bombern weitgehend verschont geblieben war. 1866 hatte es noch den preußischen Herrschern als Sommerresidenz und nach dem ersten und zweiten Weltkrieg französischen Besatzern und Besitzern als Dienststelle gedient. Das prunkvolle Stadtschloss, weiträumig und lichtdurchflutet sowie reich an Dekorationen und Gemälden, ist mit dem eher kargen Leineschloss der Welfen in Hannover, das im letzten Krieg völlig zerstört und hinterher wieder aufgebaut wurde, überhaupt nicht zu vergleichen. Doch der zum Plenarsaal umgebaute ehemalige Musiksaal war für die hessischen Landtagsabgeordneten bald zu klein. So wurde einfach die ehemalige Reithalle abgerissen und von 1960 bis 1962 dort ein neues Plenargebäude errichtet. Es war im Innern dem Plenarsaal des niedersächsischen Landtags im Betonklotz des Architekten Oesterlen sehr ähnlich. Aber der hessische Landesentwicklungsminister Jörg Jordan formulierte: " .... das von der hessischen Staatsbauverwaltung geplante Plenarsaalgebäude von 1962 ... blieb ein unnahbarer Fremdkörper in der Altstadt, innen ein fensterloser Plenarsaal und zur Grabenstraße hin im Erdgeschoss ein düsterer Säulengang...." Als technisch veraltet und nicht mehr zeitgemäß wurde das alte Parlamentsgebäude Ende 2004/Anfang 2005 einfach abgerissen und das jetzige Plenargebäude mit dem Plenarsaal 2008 gebaut. Während sich Regierung und Abgeordnete früher im Parlament frontal gegenübersaßen, wurde mit einer die Kommunikation fördernden kreisrunden Bestuhlung des neuen Plenarsaales die Idee des "Runden Tisches" aufgegriffen, sagte Landtagspräsident Norbert Kartmann. Licht und Durchlässigkeit sind Hauptmerkmale des neuen Gebäudes. Die Parlamentarier öffnen "ihr" Haus für die Bürger und gewähren diesen Einblick in ihre Arbeit.

So also kann man es auch machen. Die Hessen haben die Sünden der Väter korrigiert - im Gegensatz zu den Niedersachsen.

In diesem Prachtbau empfing der Landtagspräsident die niedersächsische Reisegruppe. Er wies mit Stolz auf den in ganz hellem Holz gehaltenen neuen Plenarsaal hin, der rund 41 Millionen Euro gekostet hat. Seit der Landtagswahl vom 22. September 2013 bilden CDU und Grüne eine Koalition unter dem wiedergewählten Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Nach dem Regierungswechsel habe sich im Parlament ein völlig anderes Klima entwickelt. "Es ist normal geworden", sagte der Landtagspräsident.

Die Reisegruppe aus Niedersachsen im hessischen LandtagDie Reisegruppe aus Niedersachsen im hessischen Landtag

Der Vorsitzende der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen e.V. , Ulrich Biel, wies in seiner Dankesrede darauf hin, dass die niedersächsische Vereinigung mit bald zehn Jahren zwar die jüngste in Deutschland ist, aber als einzige sowohl aktive als auch ehemalige Abgeordnete zu ihren Mitgliedern zählt. Der in der Regel am zweiten Plenarsitzungstag stattfindende "Runde Tisch" diene dem politischen Meinungsaustausch. "Das Alter soll man ehren", sagte Ulrich Biel, "aber es ist auch gut, wenn junge Abgeordneten dabei sind, um die Vereinigung noch dynamischer zu machen." Als Gastgeschenk überreichte er dem Landtagspräsidenten ein typisch niedersächsisches Produkt - einen Pelikan Füllfederhalter. Mit einem solchen feudalen Schreibstift hatten schon Herrscher aus aller Welt Verträge unterschrieben. Die Vorsitzende der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Hessischen Landtags, Inge Velte, erhielt einen Bildband von Niedersachsen, "damit sie weiß, dass sich ein Besuch bei uns lohnt." Sie erzählte den Niedersachsen, dass die hessische Vereinigung rund 160 Mitglieder zählt und nun schon 30 Jahre besteht. Jetzt werde überlegt, auch aktive Parlamentarier aufzunehmen, um von Jüngeren noch etwas zu lernen, genauso wie bei den jährlichen Treffen der Vorsitzenden der Landesvereinigungen in Deutschland mit dem Vorstand der ehemaligen Europa- und Bundestagsabgeordneten in Berlin. "Alter schützt vor lernen nicht", sagte sie lächelnd. Das gemeinsame Mittagessen im ehemaligen historischen Ballsaal des Wiesbadener Stadtschlosses mit prachtvollen Decken- und Wandgemälden unter riesigen Kronleuchtern passte stilvoll zu dem Empfang. Mitglieder der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Hessischen Landtages e.V. waren bei der Rheinfahrt anwesend.

......dann bei den rheinland-pfälzischen Parlamentariern im Deutschhaus in Mainz

Das erste, was die niedersächsische Reisegesellschaft bei ihrem Besuch im Mainzer Parlament hörte, war, dass auch der rheinland-pfälzische Landtag wieder einmal saniert werden muss. Das Parlament tagt seit 1951 in dem fast 300 Jahre alten historischen ehemaligen großherzoglichen Palais in Mainz, in dem schon viele hohe Potentaten residierten, von Napoleon über Kaiser Wilhelm I. und II. bis zu den französischen kommandierenden Generälen nach dem ersten und zweiten Weltkrieg. Am 27. Februar 1945, wenige Wochen vor dem Ende des längst entschiedenen Krieges, als alliierte Bomberverbände Mainz in Schutt und Asche legten, brannte auch das Deutschhaus bis auf die Grundmauern aus.

Die Geschichte des Landtags in Mainz begann mit dem Umzug des rheinland-pfälzischen Parlaments am 18. Mai 1951 von der provisorischen Unterkunft in Koblenz in das wieder aufgebaute historische Deutschhaus der Landeshauptstadt Mainz, just am rheinland-pfälzischen Verfassungstag und an dem Tag, an dem 1848 die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammengetreten war. Anfang der 60-er Jahre, mit dem Beginn des Fernsehzeitalters, machte der Wunsch nach mehr Öffentlichkeit eine Neugestaltung des Plenarsaales und der Präsidialräume notwendig. Der Umbau fand 1963 statt. 1986/87 folgte der nächste Umbau. Jetzt wurde der Plenarsaal als geschlossener Kreis gestaltet, in dem das Präsidium ebenso ein Teil ist wie die Regierung. Man sitzt sich nicht mehr, wie sonst in deutschen Parlamenten üblich, gegenüber.

Doch nach 25 Jahren muss das alte Barockschloss Deutschhaus schon wieder saniert werden, wie Landtagspräsident Joachim Mertes sagte. Er betonte aber auch, dass der rheinland-pfälzische Landtag seit 1999 in baulicher Hinsicht ein zweites "Standbein" besitze: das Abgeordnetenhaus. Während sich im Deutschhaus der Plenarsaal befindet, sind im Abgeordnetenhaus die Abgeordnetenbüros, die Arbeits- und Beratungsräume der Fraktionen, deren Sitzungsräume und die Sitzungssäle für die Fachausschüsse untergebracht. 48 Jahre nach dem Einzug des Landtags in das Deutschhaus wurden nun auch die Abgeordneten und Fraktionsgeschäftsstellen, die in fünf verschiedenen Gebäuden außerhalb des Landtagsgebäudes arbeiten mussten, erstmals angemessen unter einem Dach untergebracht. Dazu waren unmittelbar nebenan sanierungsbedürftige Ministerialdienstgebäude wegen zu hoher Kosten einfach abgerissen und ein neues Abgeordnetenhaus zusammen mit einem neuen Ministerialdienstgebäude für 37,3 Millionen DM in Blick- und Reichweite zum Deutschhaus errichtet.

Plenardebatte in einem anderen Parlament

Die niedersächsische Reisegesellschaft hatte das Glück, mitten in eine Plenarsitzung des Landtags in Mainz hineinzuplatzen. Dabei konnte sie nicht nur sehr kontrovers und oft polemisch geführte Redeschlachten zum Thema Familienpolitik anhören, sondern musste auch versuchen, sich zu orientieren, wo in dem geschlossenen Kreis des Plenarsaales die Regierungsbänke und die Grenzen zwischen den Fraktionen waren. Es gab sie nicht. Die Plätze der Minister und Staatssekretäre bilden auch nur einen kleinen Sektor im Kreis. Im Übrigen war der Besuch im Plenum, dessen Sitzung extra unterbrochen wurde, um die niedersächsischen Parlamentarier zu begrüßen.

Nachdem der Landtagspräsident im Gespräch mit den Niedersachsen sein Haus vorgestellt hatte, sagte er bedauernd, nach dem Wiederaufbau des Deutschhauses 1951, den Umbauten des Plenarsaales 1963 und 1986/87 müsse der Landtag im nächsten Jahr schon wieder saniert werden. Als er dann zum aktuellen Thema Europa und der deutsche Föderalismus kam, war sein Fazit: Es ist für einen Mainzer leichter mit einem Kölner Karneval zu feiern, als mit einem Hannoveraner - was uns wirklich nicht überraschte.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtags von Rheinland-Pfalz, Dr. Alfred Beth, der mit seinen Vorstandskollegen erschienen war, begrüßte die niedersächsischen Kollegen. Er erzählte, dass seine Vereinigung nur aus Senioren besteht. Sie gehen ebenfalls auf Reisen, vor allem in Partnerregionen in Frankreich und Südtirol. Diese Informationsreisen dienten nicht nur der Pflege alter Freundschaften, sondern sie seien auch "Senioren-Arbeit". Senioren seien durchaus in der Lage, etwas zu bewirken, wenn man ihnen nur Spielraum ließe, sagte der Vorsitzende.

Ulrich Biel erwiderte in seiner Dankesrede, nun auch in Mainz, die Parlamentarische Vereinigung Niedersachsen e.V. habe nicht nur Senioren, sondern auch aktive Parlamentarier in ihren Reihen, die gemeinsam mit Regierungsmitgliedern bei den "Runden Tischen" jeweils am zweiten Plenarsitzungstag Gedanken austauschen und sich auf dem Laufenden halten. Als der niedersächsische Vorsitzende dem Landtagspräsidenten als Gastgeschenk einen niedersächsischen Pelikan Füllfederhalter überreichte, freute er sich riesig, setzte aber lachend hinzu, dass er schon ein solches Exemplar besitze, das er bei der Unterzeichnung eines Staatsvertrages "sichergestellt" habe. Auch der chinesische Partner habe den Pelikan-Füller freudstrahlend mitgenommen. Ulrich Biel konterte: „Der Wege führt zum Zweitfüller“!

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Der zweite Aspekt dieser "großen Reisen" der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen e.V., bei denen die Kontakte der Parlamentarier zu anderen Parlamenten im In- und Ausland den Schwerpunkt bilden, ist das sogenannte Rahmenprogramm mit Stadtführungen und Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten, um Land und Leute kennen zu lernen, aber auch, um die zwischenmenschlichen Beziehungen zu fördern, alte Freundschaften zu pflegen und neue zu knüpfen. Es wurde auch in diesem Jahr von den versierten Organisatoren Udo Mientus und Sabine Sonntag sowie vom Vorstand wieder hervorragend ausgesucht und zusammengestellt.

Fulda - Stadtführung mit Charme und Information

So war schon auf der Hinfahrt die erste Station die schöne Stadt Fulda gleich ein Höhepunkt. Es war um die Mittagszeit, der Busfahrer Sigfried Moser musste die erste vorgeschriebene Zwangspause einlegen, und in der zauberhaften Innenstadt brauchte man nicht lange ein Lokal um zu essen zu suchen. Das schöne Herbstwetter bot sich geradezu für eine Terrasse des Restaurants in der früheren Polizeistation gegenüber dem historischen Barockschloss an, moderate Preise inklusive.

Dann kam das übliche Programm: Stadtführung. Wir hatten Glück. Die junge 18-jährige Abiturientin Leah stellte den Gästen ihre Heimatstadt ebenso charmant und mit viel Begeisterung wie liebenswürdig und kompetent vor, so dass man ihr gern zuhörte. So erfuhren die Niedersachsen beim Rundgang durch die Altstadt mit ihren gut erhaltenen Fachwerkhäusern, die im letzten Krieg glücklicherweise verschont geblieben sind, dass sich der heilige Benedikt im frühen Mittelalter gegen die überkommenen Regeln für Mönche durchsetzte, täglich 150 Psalme beten zu müssen, und stattdessen das erste Benediktinerkloster gründete, in dem gebetet und gearbeitet wurde. Schon 744 schickte Bonifatius seine Schüler nach Fulda. Nachdem er einem Raubmord zum Opfer gefallen war, wurde er hier begraben. Ihm zu Ehren wurde dann 1704 bis 1708 der berühmte Dom zu Fulda gebaut, eines der bekanntesten Barockbauwerke seiner Zeit, heute noch das Schmuckstück der Stadt. Kurios ist jedoch die Michaeliskirche, weil sie als einzige Kirche der Stadt eine Hausnummer trägt. Als die Gäste beim Hexenturm, dem am besten erhaltenen Wehrturm der Stadt, vorbeikamen, erfuhren sie, dass im 18. Jahrhundert bei den Hexenverfolgungen 350 Frauen und 270 Kinder ihnen zum Opfer gefallen sind. Und dann zeigte ihnen die Stadtführerin eines der ältesten Fachwerkhäuser, in dem Karl Ferdinand Braun geboren wurde, der Erfinder der Braunschen Röhre, die das Fernsehen erst möglich machte und mit dem Nobelpreis bedacht wurde. Übrigens, weil in früheren Zeiten Steine zum Bauen außerordentlich teuer waren, wurden die Häuser als Fachwerk mit Holz und Lehm gebaut. Nur wer reich war, konnte sich ein Steinhaus leisten - er war "steinreich". Den Abschluss des Rundgangs bildete die Besichtigung des Stadtschlosses mit dem zauberhaften Stadtgarten.

Durch das "Facettenreiche Wiesbaden"

Die nächste Stadtführung gab es am Montagmorgen durch das "Facettenreiche Wiesbaden". Die Stadtführerin empfing die niedersächsische Reisegruppe im großen Park an der Wilhelmstraße, wo einem gleich hunderte wilder Papageien um die Ohren flogen. Die Vögel fühlen sich hier wegen des guten Klimas und vieler Höhlen außerordentlich wohl. Dann wandelten die Gäste auf den Spuren des früheren Rock- und Popstars Elvis Presley, der nach dem Krieg als Schuhputzer und Sergeant der US-Army nach Wiesbaden gekommen war, sich in die Tochter der Kommandanten und Vorsitzenden des Offiziersclubs Igelclub verliebte und schmachtend mit unnachahmlichen Akzent sang: "Muss i denn, muss i denn zum Städele hinaus", was auch die Einheimischen zu Tränen rührte.

Es ging weiter zum hessischen Staatstheater mit den Theaterkolonnaden und zum Kurhaus, einem der seit Jahrhunderten prächtigsten und bekanntesten Orte Europas, besonders wegen der 26 heißen Quellen, in denen schon vor 2000 Jahren die alten Römer badeten und Gesundheit suchten. Den Quellen verdankt Wiesbaden den Aufstieg zu einer der beliebtesten Kurstädte. Schon seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts gab es hier im alten Kur- und Gesellschaftshaus mit Kuranwendungen, Musik und Tanz, Theater und diplomatischen Gesprächen viel internationalen Besuch. Auch Goethe feierte hier mit einem rauschenden Fest seinen Geburtstag und war hinterher drei Tage krank, wegen des vielen hessischen Weins, sagt man. Und 1865 hat der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski im Casino im Kurhaus 3000 Goldrubel verzockt. Dann schrieb er seinen berühmten Roman "Der Spieler". Heute ist das Wiesbadener Casino im ehemaligen Weinsaal des Kurhauses eingerichtet und noch immer ein Anziehungsmagnet.

Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, als Kaiser Wilhelm II. hier oft wegen der Gesundheit weilte und 1907 das sechs Millionen teure neue Kurhaus einweihte, ist dieser Prachtbau im neoklassizistischen Stil mit seinen Sälen und Salons und der 21 Meter hohen Kuppel, unter der man sich wie im Dom fühlt, noch attraktiver. Hier traf sich die vornehme Welt, die höchste gesellschaftliche und politische Prominenz. Und wenn die Badewanne vom Hotel "Vier-Jahres-Zeiten" zum Kurhaus geschafft wurde, wussten die Leute: Majestät hat heute Badetag.

Wiesbaden, das mit seinen 280.000 Einwohnern größer ist als Mainz, worauf die Einwohner besonders stolz sind, ist im letzten Weltkrieg - wie durch ein Wunder - nicht zerstört worden. Man sagt, wegen eines Rechenfehlers oder weil die Amerikaner nach der erwarteten Eroberung Deutschlands hier in einer heilen Stadt ihr Hauptquartier aufschlagen wollten, was sie dann auch taten.

Nach einem Spaziergang durch das sogenannte "Bäderviertel" mit seinen rund 250 Hotels, davon etwa 50 mit Sternen ausgezeichnet, auch "Klein Nizza" genannt, erreichte die niedersächsische Reisegesellschaft dann das Brunnenhaus und probierte das salzhaltige Gesundheitswasser aus der Natriumquelle. So gestärkt ging es durch die malerische Altstadt und schnurstracks zum Marktplatz mit dem Rathaus und dann zum Landesparlament.

Auf dem Rhein von Rüdesheim nach Kaub

Der nächste Tag, Dienstag, 14. Oktober 2014, war Ausflugs- und Reisetag mit einer Rheinschifffahrt von Rüdesheim rheinaufwärts nach Kaub als Höhepunkt. Bis zum Ablegen am Anleger gönnte sich die niedersächsische Reisegesellschaft einen frühmorgendlichen Bummel durch das noch recht verschlafene Rüdesheim einschließlich der berühmten Drosselgasse, vorbei an der Lindenwirtin zum Glockenspiel, das ihnen die Melodien von der Loreley, "Das Wandern ist des Müllers Lust" und "Adieu, mein kleiner Gardeoffizier" bescherte. Auch die Seilbahn zum Ehrenbreitstein lag noch im Frühnebel.

Um 11 Uhr ging es an Bord von "Vater Rhein", gemeinsam mit Mitglieder der Vereinigung aus Hessen, und es blieb Zeit sich auszutauschen. Zunächst tuckerte das Ausflugsschiff nach Bingen, vorbei am Mäuseturm und dann vorbei an einer Ruine nach der anderen zu beiden Seiten des Stroms. Über Assmannshausen - Lorch - Bacharach war Endstation in Kaub. Das Wetter spielte mit, man konnte sich an Deck den Fahrtwind durch die Haare blasen lassen. Nach 75 Minuten war die schöne Schiffsreise schon zu Ende. Der vorausgefahrene Bus brachte die hungrigen niedersächsischen Passagiere wieder zurück nach Lorch zum gemeinsamen Mittagessen. Und schon ging die Reise weiter in Richtung Eberbach zum gleichnamigen Kloster bei Eltville im Rheingau. Dort erwartete die Besucher eine außerordentlich interessante Führung durch die ehemalige Zisterzienserabtei aus dem 12. Jahrhundert. Das für seinen Weinbau weithin bekannte und berühmte Kloster war eins der ältesten im Heiligen römischen Reich deutscher Nation, und die romanischen und frühgotischen Bauten zählen zu den bedeutendsten Kunstdenkmälern Europas. Imponierend war beim Rundgang die riesige Kirche, ohne jeglichen Schmuck, ohne Bilder, früher auch ohne Gestühl. Heute ist sie ein 78 Meter langer Veranstaltungsraum mit über 800 Sitzplätzen und einer geradezu phantastischen Akustik. Ebenso imponierend sind auch die großen Weinkeller mit hunderten von 1200- und 600-Liter-Fässern der damals größten Weinkelterei Europas. In Erinnerung bleiben sicher auch die Sprüche des Gästeführers: Ein guter Wein in Maßen schadet auch in Mengen nicht, oder: Weinsaufen ist sündig, Weintrinken ist selig. Für die alten Zisterzienser gab es Wein nicht vor 5 Uhr nachmittags und Wasser nicht nach 5 Uhr nachmittags. Und schließlich erfuhren die Besucher auch, woher der den Homosexuellen zugesprochene Ausdruck der "warmen Brüder" kommt: In den steinernen Gemäuer des Klosters war es immer kalt, auch im tiefsten Winter gab es keine Heizung. So saßen die Mönche zum Gebet auf den Steinstufen, unten die jungen, darüber die alten, die ihre Füße unter den Hintern der vor ihnen sitzenden jungen Mönche wärmten und dafür ihre Stola über die fest an sich gedrückten Mönche hielten. Man sagte: damit es alle Brüder warm haben.

Schlenderweinprobe in Eltville

Nach so viel Historie und Frömmigkeit tat ein guter Tropfen gut, und auf gings zur "Schlenderweinprobe" zum Weingut Langwerth v. Simmern in Eltville. Nach dem Sektempfang erklärte die junge, resolute, dynamische und kompetente Chefin den niedersächsischen Gästen, wie in der 16. Generation und im 550. Jahrgang dieser Wein-Dynastie seit Jahrhunderten im Rheingau Wein angebaut, produziert und vermarktet wird. Im historischen Keller konnten die verschiedenen Weine vom Rauenthaler Rothenburg über Brauenthaler Baiken bis zum Hattenheimer Nussbrunnen bei einer Stehprobe verkostet werden. Eine Führung durch die Kelteranlagen und ein "Schlendern" durch Haus und Garten schloss sich an - bis es dunkel wurde. Mit der Busfahrt zurück ins Favortite Parkhotel Mainz ging ein ereignis- und erlebnisreicher Tag zu Ende.

Mit Kalauern durch das ZDF

Der nächste Tag, Mittwoch, 15. Oktober 2014, gehörte wieder ganz der rheinland-pfälzi-schen Landeshauptstadt Mainz. Es begann mit einer Besichtigung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) auf dem Mainzer Lerchenberg. Um es gleich vorwegzusagen, es wurde eine der interessantesten, lustigsten, komischsten Betriebsführungen, wie sie die niedersächsischen Gäste so nicht erwartet und sicher noch nicht erlebt hatten. Der Besuch wurde zu einem Höhepunkt der Reise. Zu verdanken war es Hans-Joachim Steinmetz vom ZDF-Besucherdienst, einem gebürtigen Berliner mit typischer "Berliner Schnauze", einem Komiker, Schauspieler, Stimmenimitator, Alleinunterhalter, Kasper - alles in einem. Dabei konnte er die hoch interessanten Informationen stets lustig aber ebenso kompetent wie unterhaltsam rüberbringen, mit einem Kalauer nach dem anderen.

So erfuhren die Besucher, dass das ZDF von der Scheune in Eschborn über das Filmstudio in Wiesbaden sich Anfang der 50-er Jahre auf dem Mainzer Lerchenberg ansiedelte. Sie betraten Räume, die sie seit Jahrzehnten aus dem ZDF-Fernsehen kennen, aber nun endlich mal in der Realität mit eigenen Augen sehen, wie beispielsweise das Aktuelle Sportstudio mit der ominösen Torwand, die Nachrichtenstudios oder das riesige Außengelände des Fernsehgartens. Wer jetzt das Aktuelle Sportstudio an späten Sonnabendabend sieht, kann sagen: Auf diesen Bänken habe ich kürzlich selbst gesessen.

Mainzer Altstadt liebevoll wieder aufgebaut

Es blieb natürlich nicht aus, dass auch eine Altstadtführung von Mainz auf dem Programm stand. Beim Anblick der vielen Kirchen, des kurfürstlichen Schlosses, der alten Patrizierhäuser und der verwinkelten Gassen wurde die 2000-jährige Geschichte der Stadt sichtbar. Der ehrwürdige Mainzer Dom, ab 975 erbaut, nach Grundrissen der Peterskirche in Rom, diente als Krönungskirche; in ihm haben im Laufe der Jahrhunderte 84 Erzbischöfe gepredigt und die Heilige Messe gefeiert.

Chagalls Mystik des blauen Lichts

Von 1942 bis 1945 ist Mainz von britischen und amerikanischen Bombern fast völlig zerstört und in Schutt und Asche gelegt worden. Inzwischen ist die Altstadt wieder liebevoll aufgebaut und restauriert worden, mit vielen Geschäften und Boutiquen, Kneipen und Cafés sowie gemütlichen urigen Weinstuben.

Den Abschluss der Besichtigungstour bildete die St. Stephanskirche oben auf dem Stephansberg, eine Attraktion für Besucher aus der ganzen Welt wegen "Chagalls Mystik des blauen Lichts". Es ist die einzige Kirche, für die der jüdische Künstler Marc Chagall die riesigen blau leuchtenden Glasfenster schuf. "Die Farben sprechen unser Lebensgefühl unmittelbar an, denn sie erzählen von Optimismus, Hoffnung, Freude am Leben", sagte Monsignore Klaus Mayer. Er hatte Chagall 1973 kennen gelernt und ihn "im Geiste der Farbe und der biblischen Botschaft überzeugen können, im Ostchor und im Querhaus der Stephanskirche ein Zeichen für jüdisch-christliche Verbundenheit und Völkerverständigung zu setzen". Insgesamt neun der phantastischen blauen Fenster schuf der Künstler, das letzte vollendete der Ehrenbürger von Mainz, der die Stadt jedoch nie gesehen hat, mit 98 Jahren kurz vor seinem Tode.

Ständig pilgern die Besucher hinauf auf den Stephansberg zu der im 2. Weltkrieg arg zerstörten, aber liebevoll wieder aufgebauten und restaurierten gotischen Kirche, erfreuen sich an dem Eindruck der buntverglasten, kräftig blauen Fenster und lauschen dem Pfarrer Klaus Mayer, der in Meditationen das Werk Chagalls vermittelt. Als die niedersächsische Reisegruppe kam, fand sie in dem riesigen Kirchenschiff nur noch in den hinteren Reihen Platz. Viele konnten den Prediger kaum hören und verstehen, einer nach dem anderen verließ die Kirche, nur die Unentwegten drängten sich nach und nach nach vorn und lauschten. Die anderen stiegen den Berg weiter empor bis zum Garten eines kleinen Restaurants, das eigentlich die Saison schon beendet und einige Tische und Stühle draußen angekettet hatte. Aber das große Geschäft konnten oder wollten sich der Chef und seine Bedienung nicht entgehen lassen. Die ersten wurde noch mit Kaffee und Kuchen und Getränken bedient, doch als sich die durstige Gästeschar nach und nach auf über 30 Personen ansammelte, war das völlig unvorbereitete Lokal, das den großen Reibach hätte machen können, dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Der Vorsitzende Ulrich Biel kam auf den Gedanken, den Bus oben auf den Berg herauf zu bestellen, und das Problem war gelöst.

Abschiedsessen mit Hüttenflair

Zum gemeinsamen Abschlussessen ging es dann mit dem Bus zum Hofgut Laubenheimer Höhe, eine Weinberggastronomie und Reitanlage der Familie Anja und Christian Barth vom Favorite Parkhotel Mainz. Von der Panoramaterrasse hatte man einen traumhaften Blick über die Weinberglandschaft bis hinunter zum Rhein. In der Weinbergshütte mit typischem Hüttenflair saß die niedersächsische Reisegesellschaft noch einmal zusammen, um bei rheinhessisch-rustikalem Menü und Weinen der Region Abschied zu nehmen vom Rheingau und von fünf Tagen gemeinsamen Zusammenseins mit wieder vielen Erlebnissen und Eindrücken.

Der Seniorchef Eberhard Barth, der die Niedersachsen schon beim Ankunftsessen im Favorit Parkhotel Mainz begrüßt hatte, ließ es sich nicht nehmen, seine niedersächsischen Landsleute jetzt auch wieder persönlich zu verabschieden. Der immer freundliche, recht leutselige und stets gesprächige ältere Herr stammt aus dem Schaumburger Land, hat in Bad Nenndorf Koch gelernt und in den 70-er Jahren erst das Haus in Mainz gepachtet, später gekauft. 1983 wurde das Hotel neu gebaut, im Laufe der Jahre mehrfach um- und ausgebaut und restauriert, zum letzten Mal im September 2014, um es zu einem anerkannten Vier-Sterne-Hotel zu führen. Inzwischen hat es sein Sohn mit Familie übernommen. Die Niedersachsen haben sich in diesem modernen, weitläufigen Hotel auf drei Etagen, mitten im idyllischen Stadtpark und mit Blick auf den Rhein sehr wohl gefühlt, ganz besonders diejenigen, die das Glück hatten, im unmittelbar vorher neu eröffneten Teil des Hotels mit modernster Einrichtung zu logieren. Während Betten und besonders das reichhaltige Frühstücksbuffet unübertroffen waren, erwiesen sich die relativ weiten ´Wege im Hotel über mehrfache Ebenen zunächst einmal gewöhnungsbedürftig. Dankbar wurde quittiert, dass die Reisegesellschaft für vier Nächte ein festes, gutes Stammquartier im Vier-Sterne-Hotel in Mainz gefunden hat, in dem man abends nach dem Umtrunk in der rustikalen Klause sein müdes Haupt betten konnte, und nicht jeden Tag mit Sack und Pack umziehen musste.

Abschied vom Rheingau

Am Donnerstagfrüh, 16. Oktober 2014, hieß es Abschied nehmen von Mainz und vom Rheingau. Noch einmal gab es bei der Rückfahrt wegen der vorgeschriebenen Pause für Herrn Sigfried Moser noch einen Halt mit interessanter Stadtführung in Alsfeld. An der mit 18.000 Einwohnern eher kleinen, aber im Vogelsbergkreis größten Stadt fährt man auf der Autobahn gewöhnlich vorbei. Dabei hat sie so viel zu bieten als märchenhafte Fachwerkstadt mit über 400 erhaltenen Fachwerkhäusern in ihrem gut erhaltenen Stadtkern. Für die Sicherung der alten Baustrukturen erhielt Alsfeld 1975 als eine von europaweit fünf Städten die Auszeichnung "Europäische Modellstadt für Denkmalschutz". Als die Stadtführerin dies vor dem weltberühmten mittelalterlichen Rathaus und dem Markplatz voll Stolz verkündete, läuteten um Punkt 11 Uhr die Glocken vom nahen Kirchturm so durchdringend laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Aber die Dame ließ sich nicht beirren und erzählte munter weiter vom Reichtum, der diese Stadt zwischen Schwalm und Vogelsberg am ehemaligen Haupthandelsweg von Frankfurt nach Leipzig im Mittelalter aufblühen ließ und reich gemacht hat, was sich heute noch an historischer Pracht in den erhaltenen Gebäuden manifestiert.

Zurück im Bus mundeten die vom Busfahrer vor- und zubereiteten heißen Würstchen ebenso gut, wie ein eigentlich in Alsfeld eingeplantes Mittagessen. Und weil die Reisegesellschaft diesmal nicht von einem Stau auf der Autobahn heimgesucht wurde, konnte noch eine Stunde Reisezeit eingespart werden, so dass nach glücklicher Ankunft am hannoverschen Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) die einen ihre Anschlussverbindungen in die Heimatorte erreichen und die anderen ihren Weg nach Haus antreten konnten, mit der Gewissheit, an einer wiederum ausgezeichnet organisierten und durchgeführten, sehr erlebnis-, ereignis- und erinnerungsreichen Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen e.V. teilgenommen zu haben. Mit dem Wunsch, im nächsten Jahr, wenn es im Herbst nach Thüringen geht, wieder mit dabei zu sein, gingen die Teilnehmer zufrieden auseinander.