Die Parlamentarische Vereinigung auf Auslandsreise in der Schweiz: Beim Großen Rat und Regierungsrat - Mit Miliz-Parlament und gegen Europäische Union - Neue Einblicke und interessante Diskussionen - Zwischen Bern und Vierwaldstättersee
Die diesjährige große Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen (PVN) ging in die Schweiz. Im Mittelpunkt standen politische Gespräche in der Bundes- und Kantonshauptstadt Bern, mit deren „Großen Rat“, dem Landtag in Bern, der Niedersächsische Landtag seit Jahrzehnten eine Partnerschaft und freundschaftliche Kontakte pflegt. Ein sehr interessantes touristisches Programm in und um Bern und zwischen Bern und Luzern um den Vierwaldstättersee herum sowie die gemeinsamen Abende zum Kennen lernen bzw. Erneuern und Vertiefen von Freundschaften rundeten die gelungene Fünf-Tage-Reise vom 5. bis 9. Oktober 2009 ab. Sie war vom PVN-Geschäftsführer Udo Mientus und Geschäftsstellenleiterin Sabine Sonntag in bewährter Weise hervorragend organisiert und stand unter der Leitung des Vorsitzenden der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen e.V., Landtagsvizepräsident a.D. Ulrich Biel.
Am Montag, 5. Oktober 2009, pünktlich um acht Uhr startete der Omnibus des Reisebüros Rinder, Barsinghausen, mit 35 Teilnehmern vom Landtag in Hannover. Die meisten der illustren Reisegesellschaft, viele wurden von ihren Ehepartnern begleitet, kannten sich aus vorhergehenden Reisen, begrüßten sich mit fröhlichem Hallo, und schon bald hatte jeder „seinen“ Stammplatz im Bus gefunden. Am Lenkrad saß der erfahrene Dieter Schielke, der seine Fahrgäste in jeder Verkehrslage sicher und umsichtig über fast zweieinhalbtausend Kilometer problemlos überall hinkutschierte.
Nahezu programmgemäß erreichte die Reisegesellschaft nachmittags gegen 16 Uhr nach 640 Kilometern Busfahrt, durchweg auf der Autobahn, ihren ersten Zielort Freiburg im Breisgau. Und damit niemand auf den Gedanken kam, hier handele es sich um eine reine Vergnügungsfahrt, gab es bereits um 18 Uhr einen Empfang im Rathaus im unteren Saal der Gerichtslaube mit Vortrag und Diskussion. Voll Stolz und in ihrem Redefluss kaum zu stoppen pries Freiburgs „Umweltbürgermeisterin“ Gerda Stuchlik (Grüne) in Vertretung des Oberbürgermeisters Dr. Dieter Salomon - übrigens der erste „Grüne“ Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt - die Vorzüge ihrer 220.000-Einwohner-Stadt. Sie war bereits 1992 für Pionierleistungen wie Einrichtung von Smog- und Ozon-Frühwarnsystemen, Pestizidverbote oder verkehrsberuhigende Maßnahmen zur deutschen „Umwelthauptstadt“ gewählt worden und hatte den europäischen Nahverkehrspreis, den deutschen Solarpreis und den ersten Platz im Wettbewerb „Zukunftsfähige Kommune“ der deutschen Umwelthilfe erhalten. Heute nennt sich Freiburg auf Neuhochdeutsch „GREENCITY“ und hat beispielsweise die Hochbauabteilung zum „Gebäude-Management-Amt“ gemacht. Ausgangspunkt der Umweltaktivitäten in Freiburg waren die Platzbesetzungen am Standort des geplanten Kernkraftwerks Wyhl am Rhein im Jahre 1975.
Nach einer lebhaften Diskussion dankten Ulrich Biel und Dr. Wolfgang Schulze vom PVN-Vorstand für die interessanten Informationen. Sie wiesen allerdings darauf hin, dass auch Niedersachsen einiges bei den erneuerbaren Energien zu bieten habe, beispielsweise Biomasse, besonders aber die riesigen Windparks in der Nordsee und die vielen Windräder, die jedoch nicht, wie in Freiburg, abgeschaltet werden, wenn die Fledermäuse ihre Flugzeit haben.
Der Begrüßungsabend mit gemeinsamem Abendessen im Kleinen Meyerhof in Freiburg - offensichtlich glaubt man im deutschen Südwesten die Norddeutschen am liebsten mit dem Nationalgericht Nudeln mit Spätzle beglücken zu können - beschloss den offiziellen Teil des ersten Tages, der seine Fortsetzung jedoch für die Unentwegten im Quartier im Kolping Hotel fand; man hatte sich ja so lange nicht mehr gesehen und musste natürlich Wiedersehen feiern.
Am Dienstagmorgen ging es frühzeitig mit dem Bus weiter, bei Weil/Basel anstandslos und ohne jegliche Kontrolle über die deutsch-schweizerische Grenze zur Bundeshauptstadt Bern. Um einen Eindruck von der mit 130.000 Einwohnern viertgrößten Stadt des Landes nach Zürich, Basel und Genf zu bekommen, gab es zuerst einmal eine Stadtführung. Die im 12. Jahrhundert von den Zähringern gegründete Stadt an der Aare konnte auf Anhieb gefallen. Vor allem die 1983 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommene Altstadt zeigte sich von ihrer besten Seite. Sie ist geprägt durch ihre vielen Sandsteingebäude und die noch weitgehend erhaltenen Laubengänge von gut sechs
Kilometern Länge, durchgehend in nahezu allen Hauptstraßen. Bern hat damit die längste gedeckte Einkaufsstraße Europas. Viele kleine Restaurants und Cafes laden drinnen und draußen zum Verweilen ein. Allerdings mussten die Niedersachsen schon bei der ersten Einkehr feststelle, dass die Schweiz ein „teures Pflaster“ ist, gemessen an unseren deutschen Preisen. Und weil die Schweizer natürlich den Schweizer Franken und nicht den Euro wie in allen umliegenden Ländern hochhalten, muss man ständig umrechnen, etwa zwei zu drei.
Der Große Rat - Das Parlament des Kantons
Gleich am ersten Tag in der Landes- und Kantonshauptstadt Bern erlebten die niedersächsischen Parlamentarier den politischen Höhepunkt der Reise. Nachmittags um 16 Uhr empfing der Große Rat, das Parlament des Kantons, die Besucher im beeindruckenden, imposanten Rathaus der Stadt, mitten in der Altstadt gelegen. „Mit bemerkenswerter Kühnheit, Großzügigkeit und Weitblick wurde das Berner Rathaus geplant und von 1406 bis 1416 gebaut“, heißt es in einer „Ein-Führung“ zu diesem Gebäude. Es ist heute immer noch Sitz von Regierungsrat (Kantonsregierung) und Staatskanzlei sowie vom Großen Rat des Kantons Bern und verkörpert Berner Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Bern als Monument und Stadt mit Zukunft ist gleichzeitig Mittelpunkt des ganzen Kantons.
Das Rathaus ist auch das politische Zentrum von Kanton und Stadt Bern. Fünf bis sechs Mal im Jahr versammelt sich das Kantonsparlament im Großratssaal zur Session. Im Rathaus finden auch die Vorberatungen der parlamentarischen Kommissionen, die Sitzungen der Fraktionen der politischen Parteien und des Präsidiums des Grossen Rates statt. Jeweils am Mittwoch kommt der Regierungsrat im Rathaus zusammen, um über Geschäfte aus allen politischen Bereichen zu beraten und zu beschließen.
Zum Empfang der niedersächsischen Gäste waren die Präsidentin des Grossen Rates, Chantal Bornoz-Flück, Vizepräsident Gerhard Fischer sowie Fraktionspräsidenten und ein halbes Dutzend Mitglieder des Präsidiums und des Büros erschienen. Von ihnen erfuhren die Gäste, dass der Kanton Bern ein Abbild der gesamten Schweiz im Kleinen ist, in der es sechs Kantone gibt. Der Große Rat, das Parlament, ist die gesetzgebende Behörde des Kantons. Er entspricht den deutschen Landtagen. Die 160 Mitglieder des Kantonsparlaments werden alle vier Jahre von den Schweizer Bürgern und Bürgerinnen, letztere besitzen seit 1971 auch das Wahlrecht, gewählt. Im Kanton Bern gibt es rund 700.000 Wahlberechtigte Männer und Frauen ab 18 Jahren. In der Legislaturperiode 2006 bis 2010 setzt sich der Große Rat des Kantons Bern aus 109 Männern und 51 Frauen in insgesamt elf Parteien und Gruppierungen zusammen. Die Sozialdemokratische Partei stellt mit 42 Mandaten die stärkste Fraktion vor der Schweizerischen Volkspartei mit 30 und der Freisinnig-Demokratischen Partei mit 26 Mandaten. Verhandlungssprachen sind Deutsch (Mundart oder Schriftsprache) und Französisch, die jeweils simultan in beide Amtssprachen übersetzt werden. Der Präsident wird jeweils für die Dauer nur eines Jahres gewählt. Ihm stehen der erste und zweite Vizepräsident zur Seite.
Die Aufgaben des Großen Rates entsprechen im Wesentlichen denen unseres Landtags. Der große Unterschied besteht allerdings darin, dass der Große Rat ein „Miliz-Parlament“ ist. Es gibt also keine bezahlten Berufspolitiker, sondern „unsere Abgeordneten sind gleichzeitig Bürger, die alle einen Beruf ausüben müssen“, sagte die Präsidentin. Der Miliz- und der Bürger-Gedanke kommen übrigens besonders auch in der Schweizer Armee zum Ausdruck, deren Soldaten ihr Gewehr daheim im Schrank aufbewahren. Obwohl diese „Freizeitbeschäftigung“ der Schweizer Parlamentarier mit großem persönlichen Engagement und starken finanziellen Nachteilen verbunden ist, komme in der Schweiz niemand auf die Idee, ein Berufsparlament einzuführen. „Wir sind, im positiven Sinne, zu Milizionären verdammt, denn wir haben große Angst vor einer Ballung von Macht“, sagte ein Mitglied des Präsidiums. „Ja nicht zu viel Macht und ja nicht zu weit nach oben delegieren!“
Die niedersächsischen Parlamentarier erfuhren ferner, dass in der Schweiz die Finanz- und Steuerhoheit bei den Gemeinden liegt und dass die Bevölkerung durch Abstimmungen, Referenden und Memoranden großen Einfluss auf die Politik ausüben kann. „Der Gemeinderat führt aus, was die Bevölkerung will“, sagte ein Politiker. Die Wahlbeteiligung für die Parlamente beträgt durchschnittlich um 40 Prozent. Die Briefwahl spielt eine sehr große Rolle. Bei der letzten Kantonswahl haben beispielsweise von 500 Wählern nur 25 das Wahllokal aufgesucht, 475 haben per Brief gewählt. Bei den Volksabstimmungen und Referenden ist die Wahlbeteiligung wesentlich größer. So gibt es in der Schweiz auch keine Mehrheit für den Beitritt zur Europäischen Union, „wir erwarten eher, dass sich die EU uns annähert!“ Auf die Frage nach gleichen Lebensverhältnissen in den verschiedenen Kantonen hörte man: „Die Kantone wollen nicht gleich sein, sie setzen mehr auf Wettbewerb.“
Der Regierungsrat - die Kantonsregierung
An dieser Stelle sei noch eingefügt, dass sich die Kantonsregierung in der Schweiz Regierungsrat nennt. Er besteht aus sieben Mitgliedern. Sie legen als leitende und vollziehende Behörde des Kantons die Ziele des staatlichen Handelns fest, planen und koordinieren die Tätigkeit des Staatswesens. Die Regierungsratswahlen finden alle vier Jahre zum gleichen Zeitpunkt wie die Wahlen zum Großen Rat statt. Die Neu- oder Wiederwahl ist nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht erlaubt. Die sieben Mitglieder des Regierungsrates arbeiten hauptamtlich und dürfen keine anderen politischen Ämter auf Kantons- und Gemeindeebene bekleiden und kein Mandat im Nationalrat oder im Ständerat innehaben. Geleitet wird die Kantonsregierung vom Regierungspräsidenten, das Regierungspräsidium wechselt jedes Jahr. Die Stabs- und Verbindungsstelle des Großes Rates und des Regierungsrates ist die Staatskanzlei, die vom Staatsschreiber geleitet wird. Zur kantonalen Zentralverwaltung gehören neben der Staatskanzlei noch sieben Verwaltungsdirektionen, die etwa unseren Ministerien entsprechen, und verschiedene Kreisverwaltungen.
Nach so vielen interessanten Informationen und Diskussionen offerierte der Große Rat des Kantons Bern seinen niedersächsischen Gästen ein opulentes Nachtessen im berühmten Berner Kornhaus. Im riesigen Kellergewölbe dieses eindrucksvollen einheimischen Hochbarockbaues konnten sie in festlicher Atmosphäre die schlichte, ursprüngliche italienisch-mediterrane Küche sowie köstliche Weine aus klassischen Anbaugebieten genießen. Im übrigen: Als Hauptgericht gab es wieder Nudeln mit Spätzle.
In Bern war kein Zimmer frei
Als gegen 22 Uhr zum Aufbruch geblasen wurde, wartete allerdings kein Bett in einem Berner Hotel auf die müden Niedersachsen, sondern die Reiseleitung hatte, aus verschiedensten Gründen, dass Seehotel Sternen in Beckenried, direkt am Vierwaldstättersee gelegen, gebucht - aber in rund 120 Kilometer Entfernung von Bern hinter Luzern. Also hieß es: Einsteigen in den Bus und ab durch die Nacht für noch rund zwei Stunden. Gegen Mitternacht konnte das Quartier endlich bezogen werden. Die meisten waren froh, endlich „die Beine hochlegen“ zu können. Nur die ganz Unentwegten trafen sich zum nächtlichen Absacker in der Hotelbar.
Gewiss konnte man nach diesem anstrengenden 18-Stunden-Tag erst einmal gut schlafen. Doch als morgens früh um 5.30 Uhr durchdringend die Glocken der nahen Kirche läuteten, war es für viele mit der Nachtruhe vorbei. Wer ein Zimmer zur Seeseite hatte, wurde mit einem herrlichen Blick auf den Vierwaldstättersee entschädigt, wer zur Straßenseite hin schlief, musste auch noch den Lärm des Straßenverkehrs in Kauf nehmen. Und wer gar in die vierte Etage hinauf musste, fühlte sich in alte Dorfzeiten versetzt: Die Waschgelegenheit war mitten im Zimmer, in einem rund eineinhalb Quadratmeter großen Nebenraum war die Toilette mit Vorhang zur Minidusche. Aber zum Schlafen reichte es allemal, zumal man sich bei solchen Reisen auch abends „nach getaner Arbeit“ kaum im Zimmer aufhält, sondern eher der Geselligkeit und dem Trunke frönt..
Hochsommer in den Schweizer Alpen
Der nächste Tag, Mittwoch, 7. Oktober 2009, war vom Wetter her ein geradezu sensationelles einmalig schönes Erlebnis: Strahlender Sonnenschein vom wolkenlosen blauen Himmel mit Temperaturen bis 28 Grad! Hochsommer in den Schweizer Alpen. Wie schön wäre es gewesen, die für den nächsten Tag vorgesehene Seefahrt auf dem Vierwaldstättersee vorzuziehen. Aber des seit langem festgelegte Programm ließ es nicht zu. So hieß es pünktlich um 8 Uhr Abfahrt mit dem Bus zurück nach Bern zum zweiten Tag der politischen Gespräche und Diskussionen, diesmal zum Stadtpräsidenten.
Erst bei Tageslicht bemerkte man, dass die Hauptverkehrsstraßen am See und auch in den Bergen durch ein dichtes Netz von Tunneln führen. So etwa muss es unter einem Rasen aussehen, wo sich eine Kolonie von Maulwürfen getummelt hat. Die Tunnel hatten eine Länge von wenigen hundert Metern bis zu zehn Kilometern. Die Schweizer Straßenbauer sind großartige Meister in ihrem Fach.
Bevor sich die niedersächsischen Parlamentarier in die nächste Konferenz stürzten und über die Besonderheiten des Schweizer parlamentarischen Systems auf städtischer Ebene informiert wurden, gab es einen Kunstgenuss: Einen Besuch des weltberühmten Paul-Klee-Zentrums in Bern. Rund zwei Stunden hatten die Niedersachsen Zeit, diesen nach den Plänen des Architekten Renzo Piano gebauten, vom Berner orthopädischen Chirurgen Maurice E. Müller gestifteten und 2005 feierlich eröffneten futuristischen Gebäudekomplex mit der Ausstellung der Werke von Paul Klee zu bewundern. Der 1879 bei Bern geborene Paul Klee, dessen Vater ein deutscher Musiklehrer und dessen Mutter eine Schweizer Sängerin waren und dem nach seinem Tode 1940 posthum die
Schweizer Staatsbürgerschaft zuerkannt wurde, war einer der bedeutendsten Maler, Zeichner und Grafiker des 20. Jahrhunderts. Von seinen rund 10.000 Werken konnten etwa 4.000 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen sowie Archivalien und biographische Materialien im Zentrum Paul Klee zusammengeführt werden, das kein traditionelles Kunstmuseum ist, sondern ein internationales Kompetenzzentrum und Plattform für Musik, Theater, Tanz, Literatur und spartenübergreifende künstlerische Ausdrucksformen. Paul Klees Werke werden vor allem den Kunstrichtungen Expressionismus, Kubismus und Surrealismus zugerechnet. Für die Bewunderer seiner Kunst war der Besuch in Bern ein Erlebnis.
Empfang beim Stadtpräsidenten
Die letzte Station des offiziellen Programms der Schweiz-Reise der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen war der Empfang beim Stadtpräsidenten von Bern. Es war zugleich der Abschied von dieser interessanten, wunderbaren Stadt und noch einmal ein Höhepunkt. Im Erlacherhof, einem ehemaligen Patrizierhaus des Spätbarocks in der früheren „Edelgasse“, in dem die Berner Stadtregierung jeden Mittwoch tagt, empfingen uns in Vertretung des Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät zwei junge Gemeinderätinnen. Regula Rytz, vom Volk auf fünf Jahre gewählt und hauptamtlich Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün, informierte die niedersächsischen Gäste in einem kurzen, knappen und präzisen Vortrag über Aufgaben und Ziele, Sorgen und Nöte der „Regierung“ einer Stadt, die gleichzeitig Bundes- und Kantonshauptstadt ist. Auch hier gab es anschließend viel Stoff zu Diskussionen.
Und dann ging es hinaus auf den großen Balkon des Erlacherhofes mit einem wunderbaren Blick auf die neu gestalteten Gartenanlagen mit dem Aare-Fluss dahinter und darüber den Schweizer Bergen. Und das alles bei strahlendem Sonnenschein. Das i-Tüpfelchen bildete dann ein typisch schweizerischer kulinarischer Genuss. In den Alpenländern heißt das wohl eine Jause, diese Zusammenstellung von Schinken, Bündner Fleisch, harter Mettwurst und Schweizer Käse, dazu gab es ofenfrisches Brot und „süffigen“ Wein.
Danach hieß es: „Auf Wiedersehen Bern!“
Die Schweiz und ihre Uhren
Die Rückfahrt in das 120 Kilometer entfernte Hotel führte allerdings nicht schnurstracks nach Beckenried, sondern über einen Umweg nach Lengnau. Denn was wäre ein Besuch in der Schweiz ohne einen Blick in die weltbekannte Uhrenindustrie? Bei der Firma RADO Switzerland RADO Uhren AG zeigten die Direktoren voll Stolz ihre Produktion - die Kombination von Präzision und Hightec, von Zuverlässigkeit und Eleganz, von zeitlosem Design und zukunftsorientierter Uhrmacherkunst. Es gab die „härteste Uhr der Welt“ zu sehen, hergestellt durch eine bahnbrechende Revolution in der Diamantindustrie. Allerdings gehörten die hier hergestellten Uhren durchweg zur hochwertigen Kategorie. So begann etwa die Preisliste für RADO International L Jubilé bei 2.500 Schweizer Franken und ging bis zu 30.000 Franken. „Wunderbar, wenn man das Geld dafür hätte“, war das Urteil der Besucher.
Im Seehotel Sternen in Beckenried fand sich dann die niedersächsische Reisegesellschaft zum gemeinsamen Abendessen ein. Eigentlich wollte die Hotelküche, wie zu vernehmen war, den norddeutschen Gästen etwas Gutes tun und hatte traditionell Nudeln mit Spätzle auf die Speisekarte gesetzt. Es wäre zum dritten Male hinter einander gewesen. Doch der Reiseleitung gelang es noch rechtzeitig auf Schnitzel mit Pilzen „umzubuchen“.
Der große Auftritt des Langen Jahn
Und dann kam der Abend mit dem großen Auftritt des „Langen Jahn“. Ernst-Henning Jahn aus Watzum bei Wolfenbüttel war zweifellos eines der letzten Originale im Niedersächsischen Landtag. Acht Wahlperioden, von 1970 bis 2003, hat der CDU-Abgeordnete dem Landesparlament in verschiedenen Funktionen gedient, von 1990 bis zu seinem Ausscheiden 2003 als Vizepräsident. In geselliger Runde wie hier am Abend des 7. Oktober 2009 im Hotel am Vierwaldstättersee zeigte der gelernte Schulmeister besondere Qualitäten. Fast drei Stunden lang wurde ununterbrochen gesungen, das Repertoir der deutschen Volkslieder und Schlager rauf und runter; immer wieder gab Ernst-Henning Jahn den Einsatz zum nächsten Lied, und alle fielen ein in den Chor. Bei vielen wurden Erinnerungen an die Jugendzeit wach, an die Gesangstunden in der Schulzeit, an Wander(Vogel)Jahre oder auch an politische Veranstaltungen. So fehlte auch nicht das Niedersachsen-Lied oder „Wenn wir schreiten Seit an Seit und die alten Lieder klingen ..... “
Die niedersächsische Reisegesellschaft hätte so manchem Gesangverein alle Ehre gemacht. Dass dazwischen immer wieder die Kehlen „geölt“ werden mussten, mit Bier in „Kübeln“, „Stangerln“ oder als „Herrgöttli“, hob die Stimmung.
Ein Tag für den Tourismus
Nachdem das offizielle Programm der Reise beendet war, blieb der 8. Oktober 2009 dem Tourismus vorbehalten. Leider spielte das Wetter nicht mit. Es war in den Bergen von einem zum anderen Tag völlig umgeschlagen. Statt Sonnenschein gab es Regen.
Wie die Uhren so gehört natürlich auch Wilhelm Tell zur Schweiz. Also war das erste Ziel das Tell- Museum in Bürgelen am Fuße des St. Gotthard. Noch einmal zogen die von der Schulzeit her und aus der Literatur, besonders von Friedrich Schiller, bekannten Sagen und Gestalten in der Erinnerung vorüber, der Freiheitskampf der Schweizer gegen den Kaiser und seinen Statthalter Gessler, dessen Hut auf der Stange gegrüßt werden musste, vor allem aber Tells Armbrustschuss in den Apfel auf dem Kopf seines Sohnes. Alles Erzählungen ohne geschichtliche Realität? Auch das Tell-Museum gab keine klare Antwort.
Seefahrt auf dem Vierwaldstättersee
Wenn man schon am Vierwaldstättersee ist, gehört natürlich auch Luzern am nordwestlichen Ende des Sees beim Zufluss der Reuss mit in das touristische Programm. Die 60.000-Einwohner-Stadt ist das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Zentral-Schweiz. Nach der einstündigen Rundfahrt mit dem City-Train, in dem man bei strömendem Regen die Sehenswürdigkeiten der Stadt mit der 170 Meter langen ältesten gedeckten Holzbrücke Europas mit dem achteckigen Wasserturm als Wahrzeichen Luzerns in der Mitte „trockenen Fußes“ an sich vorbeiziehen lassen konnte, ging es „an Bord“ zur Rundfahrt auf dem Vierwaldstättersee. Warm angezogen ließe es sich auch bei nassem Wetter an Deck des Schiffes aushalten. Imponierend war der Pilatus, der Hausberg Luzerns, mit seinen 2129 Metern (noch ohne Schnee), beängstigend jedoch vor der wunderbaren Kulisse rund um den See die immer mehr zugebauten Ufer. Eine Seefahrt hätte eigentlich lustiger sein können.
Die Bilanz der Reise
Auf der Rückfahrt zum Hotel stand noch der Besuch einer historischen Schweizer Glasfabrik auf dem Programm, in der man den Glasbläsern bei ihrer interessantren, doch schweren Tätigkeit hautnah zusehen und anschließend „2. Wahl“ einkaufen konnte. Die Besichtigung beschloss den letzten Tag der Schweizer Reise. Nach dem gemeinsamen Abendessen wurde beim anschließenden geselligen Beisammensein des Abschiedsabends schon mal Bilanz gezogen: Es war wieder eine sehr schöne, sehr interessante, sehr informative, sehr harmonische, auch sehr gesellige und sehr gut gelungene Reise, die Lust auf weitere Fahrten mit der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen macht.
Stau, Stau, Stau
Die Rückfahrt der Reise im Omnibus am Freitag, 9. Oktober 2009, von Beckenried nach Hannover über rund 860 Kilometer wird wohl deshalb in nicht so guter Erinnerung bleiben, weil der Zeitplan durch eine Reihe von Staus auf der Autobahn am Freitagnachmittag völlig durch einander gebracht wurde. Das ging sogar so weit, dass unser Fahrer Dieter, der uns in aller Seelenruhe und sicher durch alle brenzlichen Situationen chauffiert hatte, in Göttingen von einem neuen Kollegen abgelöst werden musste, als er um 18 Uhr die gesetzlich erlaubten 12 Stunden am Steuer abgeleistet hatte. Normalerweise hätten wir schon am Ziel sein sollen. Und weil es der Straßenbauverwaltung eingefallen war, am Freitagabend auf der Autobahn bei Echte im dicksten Verkehr noch eine neue Baustelle einzurichten, durch die der Verkehr auf eine einzige Fahrspur verengt wurde, gab es im Nu natürlich wieder einen Stau, der schnell auf zehn Kilometer anschwoll. Um 22 Uhr wurde Hannover doch endlich erreicht. Müde, aber heil und mit vielen neuen Eindrücken konnten die Reiseteilnehmer zur allerletzten Etappe in ihre Heimatorte in Niedersachsen aufbrechen. „Beim nächsten Mal sind wir wieder mit dabei!“ war der allgemeine Abschiedsgruß.